Stellen Sie sich vor, Sie könnten die Länge einer Radiodokumentation individuell anpassen oder ein Hörspieldrama aus verschiedenen Perspektiven anhören. Diese und viele weitere personalisierten und immersiven Funktionen werden durch ein neuartiges technologisches Konzept namens objektbasierte Medien möglich. Damit werden sich die Produktion und das Hörerlebnis von Radiosendungen und Medienproduktionen grundlegend verändern. Wichtige Werkzeuge und Anwendungen, für die objektbasierte Medienproduktion wurden im europäischen Projekt ORPHEUS entwickelt. Daran beteiligt waren 10 namhafte internationale Partner, darunter öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, Firmen und Forschungsinstitute. Am 15. Mai 2018 wird das Konsortium seine Ergebnisse bei einem Workshop in München vor rund 150 Teilnehmern der internationalen Medienbranche präsentieren. Gastgeber der Veranstaltung ist das Institut für Rundfunktechnik (IRT), das Forschungsinstitut der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz.
Objektbasierte Medien
Objektbasierte Medien ermöglichen es, interaktive, personalisierte, skalierbare und immersive Inhalte zu produzieren und zu nutzen. Die Medienobjekte werden dabei auf neuartige Weise zusammengefügt und können sich so den Bedürfnissen der Nutzer, der akustischen Umgebung sowie der Geräteplattform anpassen. Beispielsweise kann der Hörer die Dialoglautstärke einstellen, verschiedene Sprachversionen auswählen und die Länge des Beitrags bestimmen. Diese Funktionen sind für alle Arten von Endgeräten realisierbar. Objektbasierte Medien gelten als wegweisende Komponente für crossmediale Angebote für Radio, Fernsehen und Internet. Darüber hinaus kann diese Technologie sowohl für Live-Sendungen über verschiedene Verbreitungswege als auch für On-Demand-Angebote eingesetzt werden.
Bisher wurden Sendungen als unveränderbares Produkt editiert, gemixt und konfiguriert. Damit konnten fast keine Anpassungen entsprechend den Empfangsbedingungen oder den persönlichen Präferenzen des Hörers vorgenommen werden.
Objektbasierte Medien verfolgen einen grundlegend anderen Ansatz: Eine Produktion ist jetzt eine Sammlung von Medienobjekten. Dazu kommen Metadaten, die die Eigenschaften einzelner Audiosignale, wie beispielsweise Position, Lautstärke, Bewegung und inhaltliche Funktion beschreiben. Im Endgerät werden diese Objekte gerendert, d.h. es werden Lautsprecher- oder Kopfhörersignale entsprechend der Audiosignale und deren Metadaten passend für die Wiedergabesituation beim Hörer zusammengesetzt.
ORPHEUS-Ergebnisse
Im ORPHEUS-Projekt wurden Werkzeuge und Anwendungen für alle Stufen der Rundfunkabläufe geschaffen. Das Konsortium hat dabei zwei erfolgreiche Pilotprojekte realisiert, um die Hauptfunktionen und Vorteile des objektbasierten Rundfunks, wie beispielsweise 3D-Audio, Vordergrund-/Hintergrund-Lautstärke, Sprachauswahl und erweiterte Programmdienste, zu demonstrieren. Der Pilot 1 wurde von der BBC produziert und war das erste mit objektbasierter Technik gesendete Live-Hörspiel. Der Pilot 2 des BR demonstrierte wie die Beitragslänge durch den Hörer selbst bestimmt werden kann. Mit den beiden Implementierungen wurden die Vorteile von objektbasierten Medien als universellem und innovativem Ansatz für die Medienproduktion und den Rundfunkeinsatz nachgewiesen.
Zu den Hauptergebnissen von ORPHEUS gehören:
- – Objektbasierte Audio-Aufnahme- und Produktions-Tools von BBC, b<>com, IRCAM, MAGIX
- – Preprocessing, Rendering und Encoding-Anwendungen von IRT und Fraunhofer IIS (MPEG-H)
- – Empfangsgeräte und -anwendungen von Trinnov (Altitude 32) and elephantcandy (iOS app)
- – Technische Richtlinien für die Implementierung und den Quellcode eines Renderers für objektbasierte Audioproduktionen, publiziert von der EBU (Tech 3388 und TR 042)
Die Projektergebnisse sind vollständig in öffentlichen Ergebnisberichten dokumentiert online verfügbar.
ORPHEUS App
Eine Evaluierungsversion der ORPHEUS App für iOS ist nach Registrierung über die Internetseite des Projekts erhältlich. Die App demonstriert die Projektergebnisse anhand der Pilotproduktionen von BBC und BR. Diese Produktionen zeigen die Vorteile von objektbasiertem Audio in einer großen Spannbreite von Radioformaten, einschließlich einer Live-Fussball-Reportage, einer Dokumentation, einem Hörspiel und Musik.
Weitere Einzelheiten zum ORPHEUS Workshop beim IRT in München am 15. Mai 2018, 10:00-17:00 Uhr, sind (auf Englisch) unter https://orpheus-audio.eu/2nd-orpheus-workshop-at-irt-in-munich-15-may-2018/ verfügbar.
Über ORPHEUS
ORPHEUS ist ein europäisches Forschungsprojekt, gefördert im Rahmen des Programms Horizon 2020 der Europäischen Kommission, das sich darauf konzentriert, das Management von Audio-Inhalten zu verbessern. Es entwickelte, implementierte und validierte eine neue Ende-zu-Ende objektbasierte Produktionskette für Audioinhalte. Das Konsortium besteht aus 10 Partnern aus 4 Ländern: Fraunhofer IIS (DE – Koordinator), Eurescom (DE), BBC (UK), IRT (DE), Elephantcandy (NL), Trinnov (FR), b<>com (FR), IRCAM (FR), BR (DE), Magix (DE). Projektkoordinator: Andreas Silzle, Fraunhofer IIS.
Titelbild: © W.Bleisteiner/ORPHEUS
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