Neues aus der Welt des Digitalradios – Teil 2

Vergangene Woche berichteten wir über aktuelle Entwicklungen beim digitalen Radio in Europa. Im heutigen Beitrag beschäftigen wir uns nun mit dem Ausbau des Digitalradios in anderen Erdteilen, und nehmen hier hauptsächlich die Entwicklungen in Indien genauer unter die Lupe.

In Indien wurde Ende Januar die nächste Phase des weltweit größten Digitalradio-Rollouts eingeläutet, als Rundfunkstandard wurde hier Digital Radio Mondiale (DRM) (http://www.drm.org/) gewählt. DRM bietet die gleichen Dienste und Funktionen wie DAB+, ist aber im Gegensatz zu DAB+ kein Multiplex mit vielen Programmen in einem breitbandigen Sendesignal, sondern stellt eher die direkte digitale Nachfolge der analogen AM- und UKW-Ausstrahlungen dar, mit einem eigenen Sendesignal pro Rundfunkveranstalter. Es ermöglicht dadurch die einfache Koexistenz mit analogen AM- und UKW-Ausstrahlungen in der Übergangsphase und deckt alle Rundfunk-Szenarien ab, von der lokalen Radio-Versorgung bis hin zu internationalen und weltweiten Ausstrahlungen. Ebenso wie bei DAB und DAB+ war Fraunhofer auch an der Entwicklung von DRM maßgeblich beteiligt.

In Indien sind bereits heute 39 Hochleistungssender mit DRM-Signalen, mit jeweils bis zu einem Megawatt Sendeleistung, in Betrieb, darunter zwei Kurzwellen-Sender zur landesweiten Radioversorgung und zwei weitere Kurzwellen-Sender für internationale Ausstrahlungen, auch nach Europa. Die restlichen 35 Sender bilden das landesweite Mittelwellen-Netzwerk, das bei rein digitalem Betrieb mehr als 60 Prozent der Bevölkerung versorgen wird. Dieses Netzwerk ist besonders wichtig für das Land, weil außerhalb der großen Städte die meisten Inder auf Radio zur Informationsversorgung angewiesen sind.

Digitalradio für alle

Mit der Inbetriebnahme der 39 DRM-Sender hat AIR – All India Radio, der öffentlich-rechtliche Radioveranstalter in Indien – Ende 2016 die erste Phase der DRM-Einführung im Land erfolgreich abgeschlossen. Die nun beginnende zweite Phase sieht die kontinuierliche Optimierung der Sendeleistungen vor, zusammen mit der Festlegung der genauen Radioprogramme, die in jeder Region digital verfügbar sein werden, sowie der Aktivierung des DRM-Zusatzdienstes Journaline. Der Datendienst erlaubt die parallele Übertragung von aktuellen Text-Nachrichten und Informationen in etlichen der über 100 Sprachen des Landes, sodass auch Reisende die das Radioprogramm selbst nicht verstehen können, oder die überwiegende Mehrheit der Inder ohne Internet-Zugang auf dem Laufenden bleiben können.

Maßgeblich für eine erfolgreiche Einführung von DRM in Indien wird der dabei verwendete Audiocodec xHE-AAC sein. Er erlaubt es, mehrere Stereo-Programme plus Datendienste über einen einzelnen Mittelwelle-Sender zu übertragen – in einer Qualität, die „UKW für alle Inder“ verspricht – da die tatsächlichen UKW-Ausstrahlungen auf die großen Städte des Landes beschränkt sind.

All diese Technologien – neben dem DRM-Standard als solchem, dem xHE-AAC Audiocodec und dem Journaline Datendienst auch der eingeplante Notfall-Alarmierungsdienst EWF (Emergency Warning Functionality) – wurden maßgeblich vom Fraunhofer IIS mitentwickelt. Gleiches gilt auch für die Umsetzung der DRM-Funktionalität in Sende-Encodern, Monitoring-Empfängern und Autoradios: Fraunhofer ist mit seinen Software-Modulen in jedem einzelnen DRM-Gerät in Indien vertreten.

Aktuell werden viele der indischen Sender noch im Simulcast-Modus betrieben, das vorhandene analoge Programm wird also unverändert beibehalten, zusätzliche Programme und Dienste werden im digitalen DRM-Teil des Sendesignals angeboten. Phase drei des DRM-Rollouts wird schließlich in einigen Jahren die vollständige Umstellung auf rein digitale Radioversorgung bringen, wodurch sich neben einem nochmals vergrößertem Radio-Angebot massive jährliche Kosteneinsparungen für die Sendeleistungen ergeben werden. Voraussetzung für den Beginn dieser dritten Phase ist natürlich zunächst die ausreichende Verbreitung von DRM-fähigen Endgeräten im Land.

DRM-Start in Pakistan und Indonesien

Während in Indien das weltweit größte Radio-Digitalisierungsprojekt läuft, sind auch andere Länder nicht untätig. Das Nachbarland Pakistan hat Ende Januar 2017 die erfolgreiche Inbetriebnahme des ersten DRM-Senders bekannt gegeben. Im ersten Schritt ist DRM hier im UKW-Band zur Lokal- und Regionalversorgung im Einsatz. Weitere Schritte hin zur Radio-Digitalisierung umfassen auch DRM-Upgrades für die vorhandenen Mittelwelle- und Kurzwellensender der Pakistan Broadcasting Corporation PBC / Radio Pakistan, dem öffentlich-rechtlichen Radioveranstalter Pakistans.

Mit Indonesien macht sich nun auch das nach Einwohnern viertgrößte Land der Welt auf den Weg, seine Radio-Infrastruktur zu digitalisieren. Indonesien hat neben einer lebhaften Lokalradio-Landschaft im UKW-Bereich auch ein sehr großes Netzwerk von Sendern im Kurz- und Mittelwellen-Bereich, um die Bewohner der großen Haupt- und der vielen tausend kleineren Inseln mit Informationen zu versorgen. Auf der Jahreshauptversammlung der Asia-Pacific Broadcasting Union (ABU) im Oktober 2016 auf der Insel Bali hat der öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter Radio Republik Indonesia (RRI) die Digitalisierung mittels DRM angekündigt. Nach erfolgreichen DRM-Tests im Mittelwellen-Bereich und einem früheren DAB+ Test in Jakarta wird demnächst ein weiterer DRM-Test im UKW-Band stattfinden, nach dessen erfolgreichem Abschluss die offizielle Einführung von Digitalradio starten soll.

Südafrika fährt zweigleisig mit DRM und DAB+

Zu guter Letzt ein Blick nach Afrika: In Südafrika startet nach dem erfolgreichen Test von DRM im Mittelwellen-Bereich demnächst die DRM-Übertragung im UKW-Bereich in Johannesburg, die entsprechende Lizenz wurde Anfang Februar erteilt. Gerade Lokal- und Community-Radiostationen können von den erweiterten Möglichkeiten von DRM zur Einnahmengenerierung sowie den drastisch reduzierten Sendekosten im Vergleich zu analogem UKW-Radio profitieren. Das Land arbeitet an einer Regulierung, die die zukünftige Radio-Digitalisierung sowohl über DRM als auch über DAB+ parallel umsetzen wird, sodass jeder Rundfunkveranstalter das für die individuellen Versorgungsanforderungen optimale Medium wählen kann. Dieser Ansatz wird unterstützt von der technischen Ähnlichkeit der beiden Geschwister-Standards sowie der Verfügbarkeit von passenden Multi-Standard-Empfangslösungen, sodass aus Sicht des Hörers das zugrundeliegende Übertragungssystem keine Rolle mehre spielen wird.

Titelbild: © WorldRadioDay / UNESCO

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