Wo sonst könnten die Fachgebiete Informatik und Musikwissenschaft aufeinandertreffen als in der Querschnittsdisziplin der Digital Humanities? Genau dort beschäftigen sich Prof. Dr. Meinard Müller und Dr. Christof Weiß von den International Audio Laboratories Erlangen mit der informatischen Beantwortung musikwissenschaftlicher Fragen zu den Werken Richard Wagners sowie Ludwig van Beethovens.
Am Anfang war es einfach nur Sympathie und spannende Gespräche, die Rainer Kleinertz, Professor für Musikwissenschaft an der Universität des Saarlandes, und Meinard Müller, Professor für Semantische Audiosignalverarbeitung an der Universität Erlangen-Nürnberg, zusammenbrachten. Kleinertz erzählte von der Komplexität großer Musikwerke und der Sisyphusarbeit, harmonische Querbezüge und relevante Strukturen systematisch aufzuspüren. Müller hingegen wusste von Methoden der Signalverarbeitung zu berichten, mit denen Audioaufnahmen automatisch analysiert und extrahierte Strukturen grafisch dargestellt werden können. Es lag nahe, dass die beiden ein gemeinsames Forschungsprojekt starteten.
In diesem interdisziplinären Projekt soll nun erprobt werden, ob und wie Methoden der Informatik im Bereich der Musikwissenschaft eingesetzt werden können und inwieweit musikwissenschaftliche Fragestellungen zu neuen Herausforderungen in der Informatik führen. Neben computerbasierten Methoden und Werkzeugen zur Harmonieanalyse werden neue Visualisierungs- und Navigationskonzepte erforscht, die es erlauben, große Musikdatenbestände interaktiv nach harmonischen Strukturen zu durchsuchen und zu analysieren.
Die musikwissenschaftliche Relevanz der zu entwickelnden Konzepte soll beispielhaft anhand der Analyse zweier großer Werkzyklen verifiziert werden: den Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven und der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner. Anhand der Klaviersonaten wird untersucht, inwieweit bekannte harmonische Strukturen maschinell nachvollzogen und visuell dargestellt werden können. Im Ring-Szenario soll auch musikwissenschaftliches Neuland bei der Erforschung bisher verborgener harmonischer Strukturen und Bezüge betreten werden. Neben Harmonien werden auch musikalische Aspekte wie Motive, Instrumentierung und Aufführungspraxis sowie deren Zusammenhänge computergestützt analysiert.
Das Außergewöhnliche an dem Projekt ist die Interdisziplinarität zwischen Musikwissenschaft und Informatik. Dass zwei so unterschiedliche Forschungsbereiche zusammenkommen ist auch für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) etwas Besonderes. Bereits zum zweiten Mal in Folge fördert die DFG das Forschungsprojekt „Computergestützte Analyse harmonischer Strukturen“ von Prof. Müller und Prof. Kleinertz mit mehr als einer halben Million Euro. Damit kann an den AudioLabs für weitere drei Jahre an dem Thema geforscht werden.
Die AudioLabs sind eine gemeinsame Einrichtung des Fraunhofer IIS und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Das 2008 gegründete Forschungszentrum ist in seiner Mission und seinem internationalen Ansatz weltweit einzigartig: Ein Team von renommierten Wissenschaftlern arbeitet an der Gestaltung der Zukunft der Audio- und Multimediatechnologien in Forschungsbereichen wie Audiocodierung, Audiosignalanalyse und Audiosignalverarbeitung.
Headerbild: © Ingo Knopf, KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation/Klaus Tschira Stiftung gGmbH
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